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Kritik am deutschen Film und der Filmindustrie
von Sepp Keine aus dem Jahr 1925

"Die Finanziers der nationalen Kampforganisationen sind es müde geworden, ihr Geld für Bubenstückchen und Soldatenspielereien zu vergeuden. Sie haben die Erkenntnis gewonnen, daß durch den Film die Massen viel besser zur "guten, alten Zeit, wo es noch einen Kaiser und Ruhe und Ordnung gab", erzogen werden. Man muss schon ganz blind sein, um dieser Feststellung nicht täglich, bei einem Gang durch die Straßen, beim Ueberfliegen des Inseratenteils der Zeitung, der Plakatsäulen, zu machen. Um nur einige dieser Filmstreifen bei ihren Titeln zu nennen: "Fridericus Rex", "Königin Luise", "Das große Wecken", "Theodor Körner", "Husarenfieber", "Aschermittwoch", "Rosenmontag", "Zapfenstreich", "Rebelle", "Waffenbrüder", "Oberst Redl", Krieg im Frieden" usw.

Die Filmkonzerne haben Konjunktur. Durch sie wird eine langsame, aber sichere Propaganda für den Militarismus gemacht. Dass man sich offen zum Militarismus und Revanchegedanken bekennt, das kann nicht gerade gesagt werden. Man macht es anders, nämlich so: Man lässt das "Glorreiche Deutschland aus großer, ernster Zeit" auferstehen, und zwar in den Filmateliers. (In jeden Film und an jedem Tag ein Bisschen!) Hofgeschichten, Parademärsche, Manöver, Schlachten, Anekdoten werden mit reichlich Schmalz, Gipsdielen, Schminke- und Kostümaufwänden auf die Filmstreifen aufgenommen. Geschichtliche Wahrheit wird zur Nebensache. Es gilt, einen Zweck zu dienen! Auf einige faustdicke Lügen kommt es nicht an. Interessant muss ein Film sein und schön - und er muss dem Volksgeschmack entgegenkommen."

 


Devoli
Deutsche Volkslichtspiele, Devoli G.m.b.H. mit Sitz Naumburg

 

Die Welt am Abend gehörte zur Verlagsgruppe des Kommunisten, Verlegers und Filmproduzenten Willy Münzenberg.

 

Am 25. Januar 1928 titelt die Berliner Welt am Abend auf der ersten Seite: Geheimnisvolle Filmautos rollen durch Deutschland. Gemeint sind die sechzehn Reklamevorführwagen, auch Film-Propaganda-Tanks genannt, aus Naumburg. Sie gehören der Devoli, die im ehemaligen Garnisonslazarett im Spechsart (Nordstraße 6) stationiert ist. Ende 1927 zählt sie immerhin 85 Angestellte, deren Monatsgehälter zwischen beachtlichen 250  bis 2 400 Reichsmark liegen. Die Devoli bestellte, berichtet der Vorwärts (Berlin) am 11. November 1927, bei Ford 400 Spezialkraftwagen.

An und für sich kündigte sich hier ein hoffnungsvolles Kulturprojekt an, was auch gleich das Interesse der deutschsprachigen Filmwelt auf sich zog. Unter der Überschrift Neueste Nachrichten berichtete am 10. November 1927 auf der Titelseite die Österreichische-Filmzeitung:

"In Deutschland ist jetzt ein grosser Schritt nach vorwärts gemacht worden, um auch dem kleinsten Dorf die Wunder des Films zugänglich zu machen. Unter der Firma Devoli (Deutsche Volkslichtspiele), ist ein Unternehmen ins Leben gerufen worden, das bereits 200 Spezialkraftwagen bei Ford bestellt hat die mit Projektions-Apparaten den nötigen Filmrollen, Projektionsflächen usw. ausgestattet, ihre Tätigkeit in Kürze in ganz Deutschland erstrecken werde. Diese grosszügige Verwirklichung einer gewiss ausgezeichneten Idee wird zweifellos in besonderem Masse zur weiteren Popularisierung des Films beitragen."

Trotz kulturpolitischer Offerten und einem enormen öffentlichen Interesse am Kulturkino, meldet das Unternehmen im März 1928 Konkurs an. Natürlich wirft das Fragen auf. Eine Antwort darauf werden wird nur finden, wenn wir die Ereignisse aufsuchen und ihre Hintergründe verstehen lernen.

Seit Anfang der 20er Jahre dominieren Produktionen aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich den deutschen Spielfilmmarkt. Kritiker à la couleur betrachten dies mit Sorge. Die Deutschnationalen und Nationalsozialisten spielen es zur Gefahr für die deutsche Kulturnation hoch. Derweil nutzen sie das neue Medium zur nationalistischen und militaristischen Erziehung, was das Misstrauen besonders linker und kulturkritischer Kreise gegenüber dem noch jungen Medium Film verstärkt. Typisch hierfür die Erklärung von Willi Münzenberg (1889-1940) aus dem Jahr 1925 in Erobert den Film:

"Die bürgerlichen und unter ihnen vor allen Dingen die extrem-nationalistischen und militaristischen Kreise haben sehr frühzeitig die Bedeutung des Films als Propagandamittel erkannt und sich seiner stets in ausgiebiger Weise bedient."

Das Massen-Kino bietet immer weniger Raum für alternative Kunst. Deshalb unterstützt 1922 der ADGB (Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund) die Gründung der Volks-Lichtbühne, die sich dem sozialistisch-proletarischen Film widmen will. Der Versuch scheitert. Ein weiterer startet in Naumburg.

 

Reichsverein für Vaterländische Lichtspiele (RVL)

Zur

Herstellung und Verbreitung
von Lichtbildwerken
der deutschen vaterländischen Kunst

gründet sich 1924 mit Eintrag in das Register des Amtsgerichts Freyburg an der Unstrut der

Reichsverein für Vaterländische Lichtspiele (RVL).

Ein Tag der Rosen im August (1927). Regie Max Mack. Mit Eduard von Winterstein, Margarete Schön, Ernst Rückert.

Aus: Naumburger Tageblatt, Naumburg, den 11. Mai 1928

Für einen Jahresbeitrag von 50 Pfennigen gibt es eine Mitgliedskarte. Damit kann man beispielsweise die vaterländische Filmproduktion, wie Lieb Heimatland (Filmwerkstätten Erich Claudius, Naumburg an der Saale) oder Ein Tag der Rosen im August (1927) mit Eduard Winterstein, zum Vorzugspreis besuchen.

Dem RVL stehen der ehemalige Stabsarzt a. D. und Facharzt für Nervenleiden Dr. Dettler (Lindenhof 2, dann: München, Neuhauser Straße 30 II - 1928) und Hauptmann a. D. von Paris (Burgstraße 43) vor. Als korporative Mitglieder wirken mit: Alldeutscher Verband - Ortsgruppe Naumburg (Vorsitzender Kaufmann R. Schäfer, Burgstraße), Oberland Leipzig, Deutsche Adelsgenossenschaft Berlin, Deutscher Offiziersbund Berlin (und andere Städte), Deutscher Schützen- und Wanderbund Weißenfels, Reichskriegerverband Kyffhäuser / Ortsgruppe Naumburg, Kriegerverein Almrich, Jungstahlhelm / Ortsgruppe Zeitz, Königin Luisenbund / Ortsgruppe Leipzig, Deutschnationale Volkspartei Deutschland / Ortsgruppen.

Dabei, wie dem Vorwärts vom 11. November 1927 zu entnehmen, Georg Schiele (Naumburg), ein Anhänger von Wolfgang Kapp.

Der Verwaltungsrat setzt sich aus Mitgliedern der Organisationen Wehrwolf, Stahlhelm, Wikinger, Kyffhäuserbund, Jungdo und Deutschvölkischer Offiziersbund zusammen.

Die Führung und Unterstützungsszene des RVL vermittelt eine erste Vorstellung von seinen Zielen und Kulturverständnis. In ganz Deutschland wirbt er um Mitglieder. Ende 1927 gehören ihm 3,5 Millionen Bürger an. (Vgl. Devoli 30.12.1927)

 

Filmwerke Filmenau

Aus dem RVL entstehen die Filmwerke Filmenau G.m.b.H.. Deren Tätigkeit bleibt immer undurchsichtig. Graf Werner von der Schulenburg bringt 20 000 Reichsmark als Grundkapital ein. Eher gedrängt als freiwillig, leistet Geschäftsführer Erich Claudius am 19. April 1927 den Offenbarungseid. Zwangsläufig regt sich erstes, jedoch bei weiten nicht ausreichendes Misstrauen in dessen Fähigkeiten zur Geschäftsführung.

Anfang Januar 1928 beabsichtigt er, wie der Bürgermeister an den Regierungspräsidenten von Merseburg berichtet, sich beim Amtsgericht Freyburg an der Unstrut in

Deutsche Volkslichtspiele e.V.

umzubenennen.

Der Reichsverein für vaterländische Lichtspiele (RVL) und die Im Devoli sind im selben Haus stationiert.

 

 

Gründung Deutsche Volkslichtspiele,
Devoli G.m.b.H.
mit Sitz Naumburg am 3. August 1927

Schnell kommt es zur Umgruppierung. Aus dem RVL entsteht eine neue Firma. Unter Nummer 81 findet sich im Handelsregister des Amtsgerichts Naumburg der Eintrag vom 3. August 1927:

Deutsche Volkslichtspiele,
Devoli G.m.b.H.
mit Sitz Naumburg.

Ihr Stammkapital beträgt 20 000 Reichsmark. Laut Vertrag vom 28. Mai 1927 zwischen Reichsverein für Vaterländische Lichtspiele (RVL) und Devoli, übernimmt Letztere die Ausführung von Filmveranstaltungen. Der Gesellschaftsvertrag der Devoli datiert vom 27. Juli 1927. Sie wird von einen oder mehreren Geschäftsführern vertreten.

 

 

Werbeprospekt der Deutschen Volkslichtspiele GmbH (Devoli).
Quellenangabe unten.

 

Graf Adelbert Karl Werner von der Schulenburg aus Burgscheidungen (ab 1930 München, Habsburger Platz 1) gibt große Summen für die Firma. Nach Aussage des Vorwärts vom 21. Juni 1931 rang ihm Erich Claudius für das Devoli-Projekt insgesamt 500 000 Reichsmark ab.

Der eloquent auftretende Geschäftsführer der Devoli soll ihn regelrecht mit Gutachten von Branchenexperten eingewickelt haben und davon überzeugt haben, dass seine bisherigen Investitionen nur Gewinn bringen können, wenn er weiteres Geld investiert.

 

Deutschnationale Ausrichtung der Devoli

Ein Mitarbeiter des Naumburger Tageblatts eilt im November 1927 in den Spechsart, um den Geschäftsführer der Devoli zu interviewen. Am nächsten Tag war in der Zeitung zu lesen:

"Wir hoffen durch unsere Vorführungen, den deutschen Film einzuführen, den amerikanischen und französischen Film lehnen wir wegen seines geringwertigen, die Nerven aufpeitschenden Inhalts ab." 

Unsere Gesellschaft, steht auf vaterländischem Boden und ist rechtspolitisch eingestellt.

Kino-Werbung im
Naumburger Tageblatt 1928

Gott sei Dank! Na, dann ist ja alles Ordnung. Hauptsache Deutschnational. Recht so, Claudius. Auf dich ist verlass, denkt der Naumburger.

Prompt erklärt der Geschäftsführer, es bestehen keinerlei Verbindungen zu Hugenberg oder Georg Schiele. Daran darf man zweifeln, unterrichtet doch der Vorwärts (Berlin) am 11. November 1927 die Öffentlichkeit über das "Reichswehrgeschäft mit Hugenberg":

"Der Kappist [Georg] Schiele gehört mit zur Devoli, wie sich diese deutschen Volkslichtspiele, nach Art der Ufa, abkürzend nennen. Neben dem Grafen v. d. Schulenburg gehört dann vor allem Hugenberg dazu."

Unter der Headline

Mit 400 Kinos in die Wahlen,

informiert in der Morgenausgabe das Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands:

"Der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Hugenberg …. geht mit einer für deutsche Verhältnisse unerhörten Großzügigkeit, dank der unbeschränkten Mittel, die aus jenen Inflationsgewinnen seiner Gruppe zugeflossen sind, daran, für den Wahlkampf den Film nutzbar zu machen. Seine Gewohnheit entsprechend verkappt er sich dabei. Er maskiert das Unternehmen als "deutsche Volkslichtspiele", eine Gesellschaft, deren Sitz merkwürdigerweise Naumburg a.d. Saale ist."

 

Nun war es ja so, dass die Devoli angeblich 200 Panzerpropaganda-Wagen bei der Firma Ford bestellt hatten. War das nicht ein Konzern in Detroit? Womöglich ein amerikanischer Autokonzern? Wenn sich das "bewahrheitete", enthielt es einiges Empörungspotential für die Deutschnationalen der Stadt. Angeblich waren sie ausgezogen, um das internationale Finanzkapital aus Deutschland auszutreiben. Und nun war es schon in Naumburg angelandet .....

 

 
Volksstimme. Tageszeitung der Sozialdemokratischen Partei im Regierungsbezirk Magdeburg.
Magdeburg, den 07. Januar 1928, Seite 6

 

Tätigkeit der Devoli

Mittlerweile ist Claudius Geschäftsführer der Devoli. Ihr Sitz befindet sich im ehemaligen Garnisonslazarett Spechsart (Nordstraße 6). 85 Angestellte arbeiten in den Vorführ-, Werk- und Archiv-, Pack- und Lagerräumen und Tischlerei. Sechs Personen-Kraftwagen und 16 Reklame Vorführwagen steuerten durch Deutschland, boten Werbefilme mit Ton an. Der Fahrer, zugleich auch Filmvorführer, soll einen geeigneten Saal anmieten, um vaterländische Spielfilme vorzuführen.

In der topographischen Abteilung der Firmenzentrale zeichnet der Leiter die Fahrtroute des Film-Propaganda-Tanks auf und koordiniert deren Einsatz.

 

 

Gebietsverteilungsplan für die Reklamewagen 1 bis 20.
Devoli
GmbH - Naumburg an der Saale.
Quellenangabe unten.

 

"Die Aufträge von den Firmen hagelten nur so und es schien als sollten Deutschland in einem Jahr

vollständig devolisiert sein",

schreibt Gustav Winter (Grossjena) am 22. Februar 1929 in Wahrheit und Recht (Nummer 8).

 

Panzer-Propaganda-Wagen.

Auf der Projektionsfläche steht geschrieben:
Durch
Wahrheit und Recht
gegen
Versailler-Vertrag
gegen
den Kriegsschuld-Irrtum
für den Völkerfrieden.

Wahrheit und Recht. Jahrgang 4, Nummer 8. Leipzig, den 22. Februar 1929, Seite 7

 

Erstmals, als Devoli-Mitarbeiter bei ihrer Einstellung im Herbst 1927 eine Kaution hinterlegen sollen, horcht die Naumburger Öffentlichkeit auf. Die Firmenleitung beruhigt die Nachdenklichen mit dem Hinweis darauf: Gegen mögliche Regressforderungen können sich die Mitarbeiter bei der Allianz für einen Monatsbeitrag von 5 Reichsmark rückversichern.

Natürlich wurde man nun in der Stadtverwaltung auf die Firma aufmerksanm. Victor Artes unternahm einige Nachforschungen. Der Industrie- und Handelskammer Halle teilte er 10. September 1927 mit, dass es, bis aus die famosen Anzeigen, nichts besonderes zu melden gibt. Freilich klingen die angegebenen Zahlen reichlich fantastisch, merkt der Stadtrat kritisch an.

Wenn Erich Claudius (1889-1940) mit im Spiel, dann lief doch eigentlich nichts normal oder regulär ab. Wie aber gelangte er dann an die Spitze der Devoli? So kann das Geschehene beschrieben werden, aber in Anbetracht dessen, dass dieser Mann in Naumburg kein Unbekannter war, kann die Zutraulichkeit besonders der Geschäftsleute, nicht so einfach erklärt werden.

 

Vielleicht hilft ein Blick auf die dubiose Karriere des Schauspielers und Regisseurs


Erich Claudius


aus Naumburg, Spechsart 42. Zu Daten komprimiert, heissen die Stationen: 1919 Schaubühne Naumburg, 1924 Reichsverein für Vaterländische Lichtspiele, 1925 Filmwerke Filmenau G.m.b.H., 1927 Devoli und 1929 Pro Arte.

Mit Fünfzehn, so erzählte man, musste der gebürtige Freyburger wegen disziplinarischer Vergehen das Realschulgymnasium verlassen. Das nahm er wohl nicht allzu tragisch, denn um sich einen Doktortitel (1930) zuzulegen, brauchte er, wie sich bald heraussstellte, ohnehin keine Universitätsfakultät.

Erich Claudius wurde am 18. Juni 1889 in Freyburg an der Unstrut geboren. Seine Stärken lagen im Bereich der hohen Künste der Selbstdarstellung, die er als Hofschauspieler am Sachsen-Meiningischen Hoftheater von 1907 bis 1914 perfektionierte. Dabei spielte die Unterstützung der Pianistin Ellen Franz, geboren am 30. Mai 1939 in Naumburg an der Saale, eine gewisse Rolle. Sie war ab 1868 die Geliebte von Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen, der mit ihr gemeinsam und dem künstlerischen Leiter Ludwig Chronegk eine tiefgreifende Theatereform durchführte und so dem Meininger Haus zu Ansehen und Ruhm verhalf.

In die Meininger Zeit fällt die Heirat mit der Schauspielerin Lisbeth Reschke. Ihre gemeinsame Tochter Marieluise Claudius (1912-1941) konnte der Cineast als Schauspielerin in Krach um Jolanthe (1934), August der Starke (1936) oder Der Mann, der Sherlock Holmes war bewundern.

Am 28. Januar 1919, abends 8 Uhr, bot Erich Claudius dem Naumburger Publikum im Ratskellersaal einen Vortragsabend zum Thema Deutsche Lyrik. Vielleicht sollte es eine Referenz an seine Tätigkeit in der

Naumburger Schaubühnen G.m.b.H..

sein, die am 22. des folgenden Monats mit einem Kapital von etwa 80 000 Reichsmark gegründet wurde. Bald darauf erhöhte sich der Kapitalstock abermals um 115 000 Reichsmark. Dem Verwaltungsrat der Gesellschaft gehörten namhafte Persönlichkeiten der Stadt an: Stadtbaurat und Regierungsbaumeister Friedrich Hoßfeld, Oberstabsarzt Doktor Ernst Friedhelm, Kaufmann Wilhelm Riebel, Kunstmaler Richard Lisker, Oberlandesgerichtsrat Fritze, Direktor Borkowsky und der Lehrer Ernst Heinrich Bethge. Die künstlerische Leitung übernahm Erich Claudius.

Zur wirtschaftlichen Unterstützung des Hauses am Bismarckplatz (Bild) gründete sich die

Theatergemeinde Schaubühne.

Sie erhob 1921 von den ständigen Mitgliedern einen Jahres- oder einmaligen Beitrag für den Erwerb von Geschäftsanteilen. Für je 1 000 Mark erhielt man eine Stimme in der Gesellschaft.

Baupolizeilich und technisch stand es mit der Reichskrone nicht zum Besten. Die Gelder zur Beseitigung der Mängel waren nur schwer aufzubringen, weshalb die Institution vorübergehend in ein anderes Gebäude zog, dass wahrscheinlich in der Weißenfelser Straße lag.

Derweil erzählte man in der Stadt, die Mitarbeiter des Ensembles erhalten kein Gehalt mehr, was ihr Intendant im September 1920 prompt dementiert. Der

Theater-Kampf

erfasste immer weitere Kreise. Dabei mischte auch die USPD mit. Der Arbeiterbildungsausschuss von Weißenfels und die KPD (Walter Fieker) nahmen zu den Vorgängen Stellung. An der Frage, ob sich die Schaubühne als gemeinnütziges oder privatwirtschaftliches Unternehmen etablieren soll, scheiden sich die Geister. Zudem äusserte ein beträchtlicher Teil des Publikums Kritik an der Programm-Politik des Hauses. Dergleichen waren die privaten Geldgeber unzufrieden mit dem Leistungsangebot, zumal ihr Intendant immer wieder mit neuen Geldforderungen aufwartete. Die Stadt gab Geld dazu, und sieht sich nun, nachdem der wirtschaftliche Bankrott abzusehen war, entsprechenden Vorwürfen ausgesetzt. Alles war nur möglich, weil Naumburg, wie es damals hiess, eine Stadt

der pensionierten Nachtwächter

war.

Ein einziger Kladderadatsch.

Mittendrin Erich Claudius.

Die Generalversammlung der Schaubühne wählte im Sommer 1922 Kapellmeister L`Hermet aus Leipzig, der bereits im Herbst 1921 das Musikfest der Stadt leitete, als Nachfolger von Erich Claudius zum Intendanten des Hauses.

Im September 1920 heiratete Erich Claudius zum zweiten Mal. Ihre Gunst bezeugte ihm die Tochter des hiesigen Hauptmanns a. D. Petiskus. Die Mitgift brauchte Hans Dampf in allen Gassen schnell für seine Experimente auf. Nach der Episode Naumburger Schaubühne werkelten beide mit einigen Heimarbeitern an der Produktion von Basthüten. Der SPD-Vorwärts kündigte ihn am 29. April 1920, abends 8 Uhr, als Dramaturg der Berliner Volksbühne zu einer Lesung von Ina Diekmann`s Jephtas Tochter an. Dann wieder tanzte das Paar in einem Nachtcafé. 1922 drehte Erich Claudius, was den Rest des Vermögens verschlingt, mit dem Sensationsschauspieler Joe Schöne Filme. Schliesslich gründet er die Spechsart-Mühlenwerke AG, die aus einer Schrotmühle bestand. Wegen Verstoßes gegen die Verordnung von Handelsbeschränkungen verurteilte ihn das Amtsgericht Naumburg 1923 zu einer Geldstrafe von 30 Goldmark.

Darauf folgte seine Tätigkeit in der Devoli, die im Mai 1924 mit Gründung des Reichsvereins für vaterländische Lichtspiele begann. Nach dem Bankrott der Devoli, etwa ab Mitte 1930 steuerte er als künstlerischer Leiter das Bühnenschiff "Pro Arte". Deren Eigentümerin ist - wer? Natürlich, Charlotte Steche!

 

Untergang der Devoli

Im Frühjahr 1928 überschlagen sich die Ereignisse, die dem Projekt ihre wirtschaftliche Grundlage entziehen. Die Tataren-Meldungen über das Filmunternehmen im Spechsart reißen nicht ab. Im

Januar 1928

sieht die Welt am Abend die "Autos" (Propagandawagen) von Kapitän Ehrhardt in Kolonnen zu je 20 Wagen mit Kinoapparaten und Radios durch Deutschland kutschieren. Weiter behauptet sie: Mit der Ausbildung von 16 000 Komparsen für den Film "Die Völkerschlacht bei Leipzig", rekrutiert sie eine neue Schwarze Reichswehr. "Ehrhardts Pläne" bezeichnet das Naumburger Tageblatt am 24. Januar 1928 als "kommunistisches Märchen".

Aus der Stadtzeitung erfährt der Leser im November 1927 über die Tätigkeit und Ambitionen der Devoli wesentlich Genaueres. Ihr Ziel besteht im Aufbau eines Wanderkinos, was per se keine schlechte Idee ist. Ein mobiles Landkino zur Vorführung von anspruchsvollen Kulturfilmen, das wird dringend gebraucht. Was machen aber die nationalen Windbeutel aus dieser Idee? Die Hallische Zeitung meldet unter Berufung auf die Vossische Zeitung vom 11. November 1927: Alfred Hugenberg (DNVP) beabsichtigt 400 Kinos zur Unterstützung des kommunalen Wahlkampf der Deutschnationalen in Dienst zu stellen.

Dem Naumburger Tageblatt erzählt im November `27 der Geschäftsführer des Filmunternehmens etwas von den

zweihundert Wagen,

die bereits bei einer autorisierten Berliner Ford-Niederlassung angekauft wurden, alle mit einem Sieben-Röhren-Radio, Filmapparaten von der Webler AG Berlin, Sender, Lichtanlage, Lautsprecher und Mikrophon für den Fahrleiter ausgerüstet.

Im Einsatz befanden sich lediglich zwanzig Wagen.

 

 

Auszug aus einem Werbeschreiben
der Devoli von 1928

"Sehr geehrte Firma!

Können sie rechnen? ….

Wir geben Ihnen die Möglichkeit, ein Jahr lang täglich 860 Diapositive mit 6 verschiedenen Reklamen ihrer Artikel zu zeigen; jedes Dia wird in 20 verschiedenen Orten täglich dreimal gezeigt, und zwar jeden nächsten Tag wieder in 20 anderen Orten, auf Plätzen, Strassen, in Schaufenstern usw., gleichzeitig mit drei Apparaten. Es ergeben sich folgende Zahlen
20 mal 3 mal 18. Also 1080 Vorführungen im Monat oder 324 000 im Jahr. Die Passantenzahl, welche diese Reklame liest, ist unbegrenzt. Ist diese eine Reklamemöglichkeit oder nicht? …. "

"Devoli". Wahrheit und Recht. Jahrgang 4, Nummer 8. Leipzig, den 22. Februar 1929, Seite 7

 

 

Angeblich bewährten sie sich gut. Auch das stimmt nicht. Eine schlichte Lüge der Geschäftsführung. Die Kommunisten finden es heraus. Eine Woche bevor die Angestellten beim Amtsgericht Naumburg Konkurs für ihre Firma anmelden, legt der Klassenkampf (Halle), Organ der KPD für den Bezirk Halle-Merseburg, für die Film-Propaganda-Wagen folgende aufschlussreiche Gewinn-Verlust-Rechnung vor:

Steuern 74,05 Mark, Saalmiete 138 Mark, Tagesgelder 504 Mark, Betriebsstoff 59,77 Mark, Sonstiges 40,00 Mark. Dazu auf Rechnung der Zentrale (Naumburg): Gehalt 434 Mark, Film 105,40 Mark, Zentrale 775 Mark, ergibt Gesamtausgaben in Höhe von 2130,22 Mark. Dem stehen in guten Monaten 961,50 Mark an Einnahmen gegenüber. Folglich setzt das Unternehmen monatlich pro Wagen 1168,72 Mark zu. (Vgl. Versucht 3.3.1928)

Wie sich bald herausstellte, war das eine realistische Kalkulation, denn sie stimmt im Prinzip mit dem überein, was der Konkursverwalter im April 1928 herausfindet:

Das Unternehmen arbeitete immer unrentabel.

Gleichwohl belässt es das KPD-Blatt nicht bei der Kritik der Betriebsökonomie.

"Die Kultur, die von einem Grafen von Schulenburg [der über 49 Prozent der Anteile des Unternehmens verfügt] kommt, das kann sich jeder Arbeiter selbst ausmalen",

warnt der Klassenkampf (Halle) am 10. Januar 1928. Und weiter:

"Wie ein solcher Herr für die wirtschaftlich Schwächeren eintritt, ist ebenfalls ganz leicht auszudenken."

Aber noch wird die Decke nicht weggezogen. Noch ist das wirtschaftliche Desaster nicht sichtbar. Erst als das vaterländische Unternehmen im Januar 1928 keine Gehälter mehr zahlt, schreckt die Stadt auf. Jetzt nimmt der Klassenkampf (Halle) Witterung auf. Am 10. Januar 1928 berichtet er auf einer ganzen Seite unter dem Titel

Bei der Devoli in Naumburg

über das Unternehmen. Beim Weg durch 6 000 deutsche Orte, so lautete ein Werbespruch ihr, kristallisierte sich eine tiefer Widerspruch heraus: Einerseits wirbt das vaterländische Unternehmen für jede Schuh- oder Zahnputzcreme. Und es versteht sich dabei politisch neutral. Andererseits will es eine Kampfansage gegen den amerikanischen und ausländischen Film sein, eine Vertriebsorganisation, die nur tendenzloses Material zur Aufführung bringt. Abgesehen davon, dass es den neutralen Film "vielleicht auf dem Mond gibt", wie der Klassenkampf (Halle) ketzerisch, aber durchaus zutreffend anmerkt,

wie will man dies aber mit dem
praktischen Wirtschaftsleben vereinbaren, Aufträge von denen zu nehmen, denen man anschließend an die Gurgel will?

Diese Zwiespältigkeit der Unternehmensphilosophie und die Wirtschaftsakrobatik des Duo Claudius-Stier führt zum Untergang der Devoli.

 

Das Devoli-Mobil als Wanderkino. Auf der Filmleinwand steht geschrieben: Der deutsche Volksbund "Wahrheit und Recht" ist die größte Organisation
des ganzen Deutschen Volkes.
 
Das Devoli-Mobil (1928)
Aus: Wahrheit und Recht. Jahrgang 4, Nummer 8. Leipzig, den 22. Februar 1929, Seite 7

Bevor es zum grossen Aufräumen kommt, meldet sich die Gewerbeaufsicht der Stadtverwaltung und moniert, weil sie keine polizeiliche Genehmigung vorweisen kann, die öffentliche Aufführung von Lichtbildern am 29. November 1927 durch die Devoli. Sie weist außerdem darauf hin, dass die Filmvorführer gemäß Lichtspielverordnung vom 24. Februar 1926 im Besitz eines von der zuständigen Prüfstelle ausgestellten und vom Regierungspräsidenten anerkannten Zeugnisses sein müssen. Ebenso benötigen die Bildwerfer ein Sicherheitsedit. Die Ortspolizeibehörde Naumburg fragt am 10. Dezember 1927 in Person des Bürgermeisters bei der Firma an, ob diese Voraussetzungen alle gegeben sind. Ausserdem teilt er mit, dass ein Gewerbegenehmigung nicht erforderlich ist, weil alle Vorführungen unter der Regie des

Reichsvereins Vaterländische
Lichtspiele e. V
.

erfolgen.

Inzwischen macht die schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens in der Stadt immer mehr von sich reden. Gehälter werden nicht gezahlt und Rechnungen nicht beglichen. Schließlich

melden Angestellte am 7. März 1928

beim Amtsgericht Naumburg ein Konkursverfahren an, welches dann am 13. März 1928 um 9 Uhr 25 Minuten eröffnet wird.

"Damit ist in dieser viel besprochenen Angelegenheit nun endlich etwas Tatsächliches zu berichten",

informiert das Naumburger Tageblatt am 14. März 1928 seine Leser.

Die Bücher der Firma führte eine Freund des Claudius, der Schauspieler Anders, der in seiner Jugend einmal kurze Zeit Buchhalter gelernt hatte. "Ein ganzes Gremium von Sachverständigen und Bücherrevisoren gab sich redliche Mühe, in dem Buchhaltungssystem Anders irgendeinen Sinn zu entdecken. Vergebens! Das einzige, was man zweifelsfrei feststellen konnte, war, dass über 30 000 bis 40 000 Reichsmark überhaupt jeder Nachweis fehlte ….." (De-vo-li)

Offenbar sind die "nationalen Windbeutel", urteilt der "Klassenkampf" (Halle) am 3. März 1928, nicht in der Lage, das Unternehmen wirtschaftlich zu führen. Der mittlerweile vom Amtsgericht eingesetzte Konkursverwalter Bankdirektor Otto Strube (Luisenstraße 20) kommt zum gleichen Ergebnis. Die finanziellen Verhältnisse sind - schlicht ausgedrückt - ungeordnet. 70 000 Mark Verwaltungskosten und 45 000 Reichsmark an Gehaltsforderungen von den Angestellten sind finanziell nicht gedeckt. Rette sich, wer kann, heißt es unter den Mitarbeitern! Wer gerade mit den Film-Propaganda-Tanks unterwegs, gibt Vorstellungen auf eigene Kasse, denn zu Hause gibt`s kein Geld mehr. Nicht mal mehr Arbeitslosengeld, weil das Unternehmen die Beiträge zu den Sozialkassen nicht entrichtet hatte. Allerdings gelingt es im Konkursverfahren alsbald, die Mittel für die Nachzahlung für die Invaliden- und Krankenkassen sowie Erwerbslosenbeiträge aufzubringen.

Wegen Nichtabführung von sozialen Pflichtbeiträgen werden Erich Claudius und Marie-Charlotte Steche vom Schöffengericht Naumburg am 15. April 1929 zu 400 Mark Strafe verurteilt.

Burgscheidungen nach einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert und Schloss (2008)

Neben dem Ausgleich von berechtigen Ansprüchen im Konkursverfahren müssen unberechtigte Ansprüche zurückgewiesen werden. Herr Generaldirektor Claudius erhebt gegenüber Graf von der Schulenburg aus Burgscheidungen Forderungen in Höhe von 4 467 Mark. Josef Firmans, der Direktor, wie er sich im November 1927 nannte, beansprucht von ihm ebenfalls beachtliche 140 000 Reichsmark. Im Gegenzug macht der gegenüber der Geschäftsführung 320 000 Reichsmark geltend. In einem internen Polizeibericht der Stadt vom 24. Oktober 1930 nennt Kriminalkommissar Mollenhauer gar die Summe von 1 600 000 Reichsmark, die der Rittergutsbesitzer aus Burgscheidungen an die Devoli verloren hat.

 

Am 17. April 1928 teilt Oberbürgermeister Dietrich per Brief dem Regierungspräsidenten mit,

dass die KPD von der Devoli GmbH
neun Autos gemietet habe.

Ein Ablenkungsmanöver? Oder nutzte die KPD die Propaganda-Tanks vielleicht zur Vorbereitung der Reichstagswahlen 1928? Bisher fanden sich dazu in Naumburg (Saale) keine weiteren Spuren. Doch bekanntlich unternahm die KPD enorme Anstrengungen, um das neue Medium Film für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Der legendäre Willi Münzenberg (1889-1940) umriss die Hoffnungen in Verbindung mit dem Film der I.A.H. [Internationalen Arbeiterhilfe] "Sein Mahnruf". Er "wird, wenn er gezeigt werden kann, Millionen Arbeitern helfen, den Weg zur Arbeiterbewegung zu finden."

 

Lageskizze zur Devoli  - Vollbild

Bald nachdem der Konkursverwalter Otto Strube seine Tätigkeit aufgenommen hat, wird das Chaos sichtbar. Mal genüsslich, mal sorgenvoll, mal wieder ängstlich, reagiert die Naumburger Öffentlichkeit auf den Streit der Geschäftsleitung mit dem Investor. Die Geschäftsführung zeigt auf Schulenburg. (Vgl. Verfügung 11.4.1928). Firmans spricht von hundertfacher mündlicher und schriftlicher Zusicherung des Grafen, dass er - aus Familien- und parteipolitischen Gründen - hinter dem Unternehmen stehe, weshalb man es ein Schulenburgsches Unternehmen nennen müsse. Als aber unlängst der Redakteur der Stadtzeitung die Devoli besuchte, fungierte er hier noch als Direktor. Jetzt, nach dem Konkurs, will er nie Chef oder Direktor gewesen sein. Das heißt so viel wie:

Ich trage keine Verantwortung
für den Untergang der Firma. - Ich nicht!

Daran zweifeln viele, wie es ein Leser im Naumburger Tageblatt am 16. April 1928 zum Ausdruck bringt. Aber liest man die Widerrede genau, so finden sich darin keine rechtlich belastungsfähigen Argumente. Allmählich verflüchtigt sich der Skandal aus der öffentlichen Aufmerksamkeit, womit es seine Bewandtnis hat.

 

Selbst als der Ruin die Devoli längst aufgezehrt, verkündet Gustav Winters am 22. September 1929 in Wahrheit und Recht :

Die Devoli ist in unserer Hand!

Noch einmal taucht das Devoli Panzer-Mobil am 5. Juni 1929 vor dem Landgericht in Leipzig, Eisenstrasse, auf.

 

So unverständlich das Auftreten von Josef Firmans (Spechsart 1) in der Öffentlichkeit erscheint, ist es dann doch nicht, wenn man die Hintergründe kennt. Denn der eigentliche Chef der Devoli hieß nicht Claudius, sondern

Marie-Charlotte Steche,

geschiedene Weber, geboren 1898 in Leipzig. Eigentlich war sie als Stenotypistin eingestellt. Reisst sie das Ruder des führungslosen Unternehmens vielleicht in gut gemeinter Absicht an sich? Geschah es vielleicht im Konsens mit Claudius? Wie auch immer, doch auf jeden Fall in Gutsherrenmanier!

 

Pro Arte

Als die Filmfirma im Spechsart finanziell ruiniert ist, kauft sie mit Claudius, angeblich finanziert von Baron Sternberg, für 25 000 Reichsmark den hölzernen Viermastschoner Dora, der auf Pro Arte umgetauft wird.

"Zur Propagierung deutscher Kunst im Auslande wurde ein Bühnenschiff Pro Arte" geschaffen," schreibt die Tages-Post aus Linz am 5. Juli 1920, "das im Zeitraum von 1 ½ Jahren die wichtigsten europäischen und außereuropäischen
Häfen besuchen und mehrere Werke deutscher
Hochkunst in erstklassiger Aufführung bieten soll
Er soll die deutsche Kultur in die ganze Welt hinaustragen."

440 Personen fasst der Zuschauerraum von Pro Arte. An Bord sind 300 Ausstellungsschränke für eine Mustermesse der deutschen Industrie fest installiert. Im Januar 1930 soll es auf große Fahrt nach Südamerika gehen. So der Plan. Doch man hört Stimmen, die alte Dora ist doch gar nicht hochseetüchtig! Egal, Hauptsache der Intendant des Bühnenschiffes heißt - wie? natürlich Erich Claudius. Die Stadt München soll das Protektorat über das Kulturschiff Pro Arte übernehmen, was wohl so viel heißt wie, sie soll es subventionieren. Der Illustrierte Sonntag berichtet am 4. Januar 1931, dass die Stadt dies abgelehnt hat und vermerkt noch: "Für das Gesuch an die Stadt München zeichnete eine Frau Steche aus Leipzig; der eigentliche Drahtzieher der Sache aber ist der frühere Regisseur und Schauspieler Claudius."

 

Das Claudius-Steche-Prinzip

Der nächste Schiffbruch, ahnt im Juni 1931 der Vorwärts (SPD), steht bevor. Am 28. September 1931 fällt Pro Arte in Hamburg der Versteigerung anheim.

Das Claudius-Steche-Prinzip bedeutet: Finanzierung von Unternehmungen mit dem Geld aus fremden Taschen, ohne Kontrolle über dessen Rentabilität. Aber warum nur wähnten im August 1927 die Handwerker, Lieferanten und Dienstleister aus Naumburg bei Erich Claudius alles in guten Händen? In der Stadt war die wirtschaftliche Schwäche der Schaubühne in der Reichskrone, die Malaise mit dem Vaterländischen Filmverein und die Pleite der Filmenau allgemein bekannt. War es Leichtgläubigkeit? Oder steuerten ökonomische Zwänge ihre Hoffnungen?

Barmittel sind bei Eröffnung des Konkursverfahrens keine vorhanden, alle Waren sind gepfändet. Die Aktiva in Höhe von 130 000 Reichsmark (genannt werden auch 180 000) sind zu 90 Prozent mit Eigentumsvorbehalten belastet.

"Daß die Erregung in den Kreisen der geschädigten Geschäftsleute groß ist, läßt sich denken",

teilt bedeutungsschwanger das Naumburger Tageblatt am 14. März 1928 mit. Allein eine auswärtige Radiofirma bekommt noch 14 000 Reichsmark. Sie ist zu vierzig Prozent am Gewinn der Firma beteiligt.

Am 18. Juni 1931 wird Claudius wegen Konkursvergehen durch das Schöffengericht Naumburg zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

 

 

[Artes, Victor] Brief von Stadtrat Victor Artes am 10. September 1927 an die Industrie- und Handelskammer Halle (Saale). Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, IHK Kammer Halle, Rep. C 110, Nr. 965

Walter: Der Fall Hugenberg. Die Weltbühne, XXII. Jahrgang, Nummer 18, Berlin, den 23. Februar 1926, Seite292

Auszug aus einem Werbeschreiben der Devoli von 1928. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg C 110, Halle Nr. 959

Brief. Verband der Preußischer Polizeibeamten e.V., Sitz Berlin, An die Industrie und Handelskammer Halle a. S.. Berlin W 35, den 25. August 1927. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 110, Nr. 959

Bei weitem intensiver. [Werbeprospekt der Devoli, Naumburg, Saale] Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 110, Nr. 959

Bürgermeister Roloff. Brief an den Regierungspräsidenten von Merseburg vom 13. April 1928. Magistrat Naumburg. Polizeiverwaltung. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225

Bürgermeister Roloff. Brief an den Regierungspräsidenten von Merseburg vom 24. Januar 1928. Magistrat Naumburg. Polizeiverwaltung. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225

Das Ende des Devoli-Unternehmens. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 13. April 1928

Das Ende des Devoli-Unternehmens. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 14. April 1928

Das Konkursverfahren gegen die Devoli eröffnet. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 8. März 1928

Das "Kunstschiff". Illustrierte Sonntag. Jahrgang 3, Nummer 1, 4. Januar 1931, Seite 11

Das Konkursverfahren gegen die Devoli eröffnet. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 14. März 1928

Deutsche Volkslichtspiele Devoli, Brief an die Polizeiverwaltung Naumburg vom 22. Dezember 1927. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225

Deutsche Volkslichtspiele Devoli, Brief an die Polizeiverwaltung Naumburg vom 30. Dezember 1927. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225

Deutschnationale Filmpläne [in Naumburg / Saale]. "Neue Freie Presse". Wien, den 24. Dezember 1927, Seite 2

"Devoli". "Wahrheit und Recht. Wochenschrift für Wiederaufbau und Ausbau der deutschen Wirtschaft" 4. Jahrgang, Nummer 8, Leipzig, den 22. Februar 1929

De-vo-li. Eine "nationale Idee", die im Gefängnis endet. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands." Morgen Ausgabe. Berlin, den 21. Juni 1931, Seite 2

Die Macht des Hugenberg-Konzerns. "Freiheit". [Parteizeitung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands], Berlin, den 11. April 1928

Dramatische Lesung. "Vorwärts. Morgen Ausgabe. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands." Berlin, den 23. April 1920, Seite 2

Ein Besuch bei der "Devoli". "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 19. November 1927

Gebietsverteilungsplan für die Reklamewagen der Deutschen Volkslichtspiele GmbH (Devoli). Naumburg an der Saale 1 bis 20. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg C 110, Halle Nr. 959

G.W., der fünfte Kandidat. "Der Abend. Spätausgabe des Vorwärts." Beilage, Berlin, den 9. März 1932

Holzbach, Heidrun: Das "System" Hugenberg, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1981

Reichswehrgeschäft mit Hugenberg. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Abendausgabe. Berlin, den 11. November 1927

[Kaution] Polizeiverwaltung Naumburg. Tagebuch vom 29. Oktober 1927 und 3.11.1927. In: Magistrat Naumburg. Polizeiverwaltung. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225

Keine, Sepp: Ueber Militärfilme. In: Am Wege, Nachrichten "Die Naturfreunde" Gau Thüringen, 6 (1925) Nummer 11, Seite 176-177

Kino als Wahlpropaganda. "Hallische Nachrichten," Nummer 265, Halle, den 11. November 1927

Mit 400 Kinos in die Wahlen. Hugenbergs Laterna Magica. "Vossische Zeitung. Berlinische Zeitung von Staats- und Gelehrtensachen". Morgenausgabe, Berlin, den 11. November 1927

Münzenberg, Willy: Erobert den Film. Berlin 1925

Musikalische Rundschau. Musikberichte aus deutschen und anderen Städten. Nummer 3, Leipzig, den 8. Juli 1922, Seite 72

Neueste Nachrichten. [Bericht über die Devoli in Naumburg / Saale]. In: Österr-Filmzeitung. Das Organ der Österreichischen Filmindustrie. Redaktion und Verlag, Wien VII. Neubaugasse 36, Nummer 47, Wien, den 10. November 1927, Seite 1

Nochmals das Ende des Devoli Unternehmens. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 16. April 1928

Polizeiverwaltung Naumburg. Verfügung vom 24. Januar 1928. Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225

Rechtspolitisierung der deutschen Kinos. "Voralberger Wacht". Dornbirn, am 29. Dezember 1927, Seite 2

Reichswehrgeschäft mit Hugenberg. "Vorwärts. Berliner Volksblatt von der Sozialdemokratischen Volkspartei Deutschlands". Berlin, den 11. November 1927, Seite 1

Verfügung von Oberbürgermeister Dietrich. An den Herrn Regierungspräsidenten. Betr.: Konkursverfahren über das Vermögen der Devoli G.m.b.H., 11. April 1928. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225

Verfügung von Oberbürgermeister Dietrich. An den Herrn Regierungspräsidenten. Betr.: Konkursverfahren über das Vermögen der Devoli G.m.b.H., 17. April 1928. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225

Versucht die Devoli einen betrügerischen Bankrott? "Klassenkampf, Organ der KPD für den Bezirk Halle-Merseburg". Halle, den 3. März 1928

[Wanderkino] Das Wanderkino lebt wieder auf. In: Das Kino-Journal. Nummer 209 des 20. Jahrgangs. Wien, am 19. November 1927, Seite 3 bis 4

Werbung der Deutschen Volkslichtspiele GmbH. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, C 110 Halle, Nr. 959

Zur Propagierung deutscher Kunst … [Nachricht]. "Tages-Post. Sonntagsblatt". Linz a. d. Donau, Samstag den 5. Juli 1930, Seite 15

Autor:
Detlef Belau


Geschrieben:
2. Oktober 2004.
Aktualisiert: 4. Februar 2011

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