Hermann
Müller: Die Esslinger Sieben
Nach den Spuren von Stammler suchend, oder eigentlich von Ernst Emanuel Krauss, finde ich, dass der 1872 in Stammheim im Schwarzwald als Sohn eines Schullehrers Geborene in Heilbronn und Esslingen eine Buchhändlerlehre machte und 1899 einen eigenen kleinen Verlag, den Wir-Verlag, gründete. Dieses wahrscheinlich dem Selbstverlag dienende Mini-Unternehmen war zwischen 1904 und 1908 zugleich württembergische Geschäftsstelle des Vereins für ländliche Wohlfahrtspflege, einer Gründung des völkischen Schriftstellers Heinrich Sohnrey. Mit dieser Tätigkeit hat Krauss wohl sein Brot verdient und den Druck seiner Schriften finanziert. Es versteht sich von selbst, dass diese Geschäftsstelle zentral, also in Stuttgart oder Esslingen situiert war. Vermutlich in Esslingen, wo er seine Buchhändlerlehre abgeschlossen hatte und anscheinend weiter als Buchhändler tätig war. Nun - in Esslingen fand Gräser um 1907 seine ersten Freunde in Schwaben, bildete sich um ihn ein kleiner Freundeskreis. Zu ihm gehörte in erster Linie der 19jährige Postangestellte und Malschüler Willo Rall. Mit ihm zusammen soll Gusto 1907 im Stuttgarter Residenztheater eine Aufführung mit seinen Gedichten gemacht haben. So erzählten mir die Töchter von Rall. Dieser Rall war auch im Verein für ethische Kultur des Stuttgarter Nacktkulturapostels Ungewitter. Zu diesem Kreis gehörte außerdem der 16jährige Muck-Lamberty aus Straßburg, dazu die spätere Wandervogelführerin Luise Riegger, genannt Lissel, mit ihrem Bruder und am Rande auch der 23jährige Journalist Theodor Heuss und der später als Kunstsammler bekanntgewordene Hugo Borst. Theodor Heuss war als Nachbarskind mit Willo Rall zusammen in Brackenheim aufgewachsen. Zu
diesem Freundesbund gesellte sich nun, nach meiner Vermutung und ungewissen Erinnerungen,
auch der Jungdichter, Buchhändler und Kleinverleger Ernst Emanuel Krauss.
Der war damals schon 35 Jahre alt, und ich stelle mir vor, dass die jungen Leute
in seinem Laden zusammenkamen, zumal sowohl Gusto wie Willo Gedichte schrieben,
die sie natürlich zum Druck bringen wollten. Es ist naheliegend, dass Krauss
als Mitarbeiter von Sohnreys Verein völkische Vorstellungen pflegte und sie
seinen Besuchern nahegebracht hat. Ich halte jedenfalls für möglich,
dass Gusto hier in Esslingen mit dem völkischen Gedankengut bekannt gemacht
wurde. Zugleich dürfte Krauss, der sich ab etwa 1913 - also mit dem Erscheinen
der WORTE AN EINE SCHAR - Georg Stammler nannte, unter den Einfluss von Gräser
geraten sein und dessen Sprüche und Gedichte kennen gelernt haben.
Müller, Hermann: Die Esslinger Sieben. Brief von Hermann Müller an Detlef Belau in Naumburg (Saale), August 2009 | ||||||||||||||||
Autor: Detlef Belau | Geschrieben:
5. Juli 2011 |